von Dr. Marcus Mau
Der Jangtsekiang, Chinas längster Fluss, steht vor dem ökologischen Kollaps. Dies berichteten Wissenschaftler bereits Mitte August auf China Daily. Der Bau von Wasserkraftwerken in Kombination mit einer seit Jahrzehnten unveränderten Überfischung hat den Fluss an den Rand des Zusammenbruchs geführt. Gesetzliche und politische Hilfe, die Katastrophe noch zu verhindern, gibt es kaum, mahnen die Forscher mithilfe des World Wildlife Fund (WWF) an.
Im Juni 2013 machte sich das 32-köpfige Forscherteam zu einer 12-tägigen Expedition entlang des Jangtse auf. Es sollte die erste wissenschaftliche Untersuchung ihrer Art werden, um den Zustand der Feuchtgebiete entlang des Flusses, die Wasserqualität und den Fischreichtum dieser Lebensader Chinas zu erfassen. Doch das Ergebnis schreckt auf: der Jangtsekiang stirbt.
Der Bau von Staudämmen und Wasserkraftwerken lässt das Gleichgewicht kippen
Nach den Energieplänen des Landes sollen insgesamt 25 Wasserkraftwerke auf 2.308 Kilometern Flusslänge gebaut werden. Das heißt, dass alle 100 Kilometer ein Kraftwerk entsteht oder bereits den Betrieb aufgenommen hat. „Dies wird den Jangtse in Sektionen zerschneiden und die Wasserverhältnisse auf Dauer verändern“, sagt Zhao Yimin, Vorsitzender des Jangtse-Komitees zur Ressourcenwahrung. Zudem bemängelt er die Umsetzung der derzeitigen Gesetzeslage, die für jeden Bauantrag eine vorausgehende Risikoanalyse vorschreibt. In der Realität jedoch werden viele Wasserkraftwerke bereits lange vor der Entscheidung gebaut.
„Wasserkraftwerke erwärmen das Wasser und schädigen damit Pflanzen und Tiere im Fluss“, sagen Wissenschaftler. Außerdem verändern sich durch die Staumauern die Strömungsverhältnisse im Jangtse, sodass bereits heute ein Drittel weniger Schlamm flussabwärts transportiert wird. „Flussaufwärts bedeutet dies, dass die Wasserqualität für Fische und für die Trinkwassergewinnung deutlich abnimmt“, bemerkt Chen Jiakuan, Professor der Fudan Universität in Shanghai.
Die Artenvielfalt der Fische ist bereits um 88 Prozent gesunken
Das Leben für die Fische im Jangtse wird zunehmend schwieriger. Die Fischerei produziert jährlich etwa 100.000 Tonnen Fisch; eine Zahl, die die Regenerationsfähigkeit vieler Fischarten weit übersteigt. Nur noch 12 Prozent der einstmals im Jangtsekiang beheimateten Fischarten haben dies bis heute überlebt. „Die gesetzlich eingeführte Schonzeit von drei Monaten reicht nicht aus, um den Rückgang der Populationen aufzuhalten“, fügt Zhao hinzu. Die Menschen entlang des Flusses können tagtäglich ihren frischen Fisch kaufen und sind sich der Probleme gar nicht bewusst. Ändert sich nichts an der gegenwärtigen Situation, dann wird der Jangtsekiang bereits in wenigen Jahren fischfrei sein.
„Das Beste für den Fluss und seine Fische wäre ein komplettes Fangverbot“, sagt Zhao. Doch der Hunger nach Fisch und Energie ist groß in China und die Einsicht zu ökologischem Handeln entsprechend gering.
Quelle: https://europe.chinadaily.com.cn/business/2013-08/16/content_16899304.htm